- nikorrekt
Terror von oben
Etwas über ein Jahr ist es her, als Wien Ziel eines Terroranschlags wurde.
Vier Menschen haben ihr Leben verloren, viel mehr noch eine geliebte Person,
ein Familienmitglied. Einige wurden teils schwer verletzt. Leute mussten sich
stundenlang einsperren, hatten Angst. Eltern versuchten, ihre Kinder zu
erreichen. Nicht wenige waren erleichtert, den darauf folgenden nahezu ewig
währenden Lockdown zu erleben, weil sie um Haaresbreite dem Tod entronnen
waren.
Der Staat war verstört und in Trauer. In den Medien fiel immer wieder der
Begriff “Terror”. Fernsehsender brachten ein Terror-Special nach dem anderen
auf die blau flackernden Bildschirme. Ein Land vor den Monitoren. Aber auch
ein Land, das ich selten so gemeinschaftlich erlebt habe. Von der Pandemie
zermürbt und vom Anschlag erschüttert, gerieten in jener Nacht viele
Differenzen in den Hintergrund. Aus aller Welt kamen Bekundungen der
Solidarität. Wir suchten Kontakt, weil der Schock des Erlebten uns so drastisch
vor Augen führte, was im Leben wirklich wichtig ist. Aber auch, dass es hätte
schlimmer kommen können.
Spoiler: Es kam schlimmer. Der Amokläufer hatte Menschenleben
genommen und wurde “neutralisiert”. Aber durch seine Untat die Gesellschaft
gespalten hat er nicht. Das Gesundheitssystem an die Grenze des Kollaps
gebracht hat er mit seinen Taten nicht. Das machen andere.
Am Mittwoch haben über vierzig Menschen ihr Leben verloren, viel mehr
noch eine geliebte Person, ein Familienmitglied. Über Tausend wurden ins
Krankenhaus eingewiesen. Kommenden Montag der vierte Lockdown. Leute
müssen sich wochenlang einsperren, haben Angst, verlieren ihre beruflichen
Perspektiven. Trotz einer seit einem halben Jahr in Österreich leicht
zugänglichen Impfung, die genau das stark eindämmen könnte.
Wer diesmal daran mit die Schuld trägt: Politiker. In der jüngsten
Vergangenheit besonders ein gewisser Politiker, dessen Namen ich hier nicht
nenne. Aber stellen Sie sich eine kärntner Kreuzung aus Goebbels und
Rumpelstilzchen vor. Durch seine Reden und gezielte Fehlinformation hat er
unzählige, von der Situation verunsicherte, Leute aufgehetzt und manipuliert.
Ihre Leben waren und sind ihm dabei egal, solange er an Macht gewinnt. Er
beruft sich auf “Freiheit”. Fakt ist jedoch, dass sich diese Misslage in
Österreich, zu großen Teilen aufgrund seines Handelns unnötig in die Länge
zieht und wir genau deshalb unsere “Freiheit” so bald nicht wiedererlangen
werden. Würde man ihn in seinen eigenen Worten anklagen, würde man ihn
einen “Volksverräter” nennen.
Der Amokläufer von Wien hat das Land an einem Abend geschockt. Der
politische Amoklauf dieses Herren hingegen hält an. Nicht so plötzlich und so
vordergründig wie der 2. November 2020, aber dafür konstant. Mit deutlich
mehr Toten jeden Tag, psychischen Schäden in großen Teilen der Bevölkerung,
einer Überlastung des Gesundheitssystems und einer Destabilisierung der
Gesellschaft. Warum spricht hierbei niemand von Terrorismus?
